Die Grenze Europas darf keine Grenze des Todes sein

26.06.2018

Erklärung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz zur Seenotrettung auf dem Mittelmeer
Anlässlich der Flüchtlingssituation im Mittelmeerraum erklärt der Ständige Rat auf seiner heutigen (26. Juni 2018) Sitzung in Berlin:

„Mehr als 13.000 schutzsuchende Menschen sind seit Anfang 2015 im Mittelmeer ertrunken, mehr als tausend bereits in diesem Jahr. In den vergangenen Wochen und Tagen hat sich die ohnehin prekäre Situation weiter verschärft. Rettungsschiffen wird das Anlegen in europäischen Häfen verweigert. So sollen Bemühungen zur Seenotrettung entmutigt werden, und politische Interessen werden auf Kosten von Menschenleben verfolgt.

Wir erinnern daran, dass die Pflicht zur Rettung von Menschen in Seenot im Völkerrecht verankert ist. Entweder der Staat nimmt sich dieser Aufgabe selbst an oder er muss nichtstaatliche Organisationen handeln lassen und sie unterstützen. Wer beide Wege blockiert, nimmt Leiden und Tod von Flüchtlingen sehenden Auges in Kauf. Dem Trend, so zu handeln, widersprechen wir als Kirche mit Nachdruck. Die grundlegenden Standards der Humanität dürfen niemals zur Disposition gestellt werden. Die Grenze Europas darf keine Grenze des Todes sein.

Die dramatische Situation im Mittelmeer zeigt: Gemeinsame Antworten im Geiste europäischer Solidarität sind notwendiger denn je. Die Staaten im Süden der Europäischen Union dürfen nicht alleingelassen werden. Anstelle nationalstaatlicher Egoismen braucht Europa eine faire Verantwortungsteilung, bei der jeder Staat seinen angemessenen Beitrag leistet.“

»Gipfel der Inhumanität«

Presseerklärung
29. Juni 2018

PRO ASYL zu den Ergebnissen des EU-Gipfels in Brüssel

In einer ersten Reaktion kritisiert PRO ASYL die Ergebnisse des EU-Gipfels scharf. »Das ist der Gipfel der Inhumanität. Gefolterte und Verfolgte einfach so in Europa wegzusperren ist inhuman. Flucht ist kein Verbrechen. Die Staats- und Regierungschefs lassen jegliches Mitgefühl mit Verfolgten vermissen«, sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. »Innerhalb und außerhalb der EU entstehen nun Lager der Hoffnungslosigkeit«.

Die weitere Stärkung der libyschen Küstenwache und den Rücktransport aus Seenot Geretteter nach Nordafrika bezeichnete Burkhardt als »Anschlag auf das Recht auf Asyl und die Europäische Menschenrechtskonvention. Anstatt sich an europäisches Recht zu halten, schafft die EU Zonen der Rechtlosigkeit. Der Zugang zum Recht auf Asyl und die Prüfung der Fluchtgründe in einem rechtsstaatlichen Verfahren sollen damit verhindert werden«.

Die Auslieferung Schutzsuchender an die libysche Küstenwache, um sie sodann nach Nordafrika zurückzubringen, ist weder mit Artikel 3 EMRK noch mit dem Schutz vor Kollektivausweisung (Artikel 4 des 4. Prot. zur EMRK) vereinbar. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 2012 in einem Grundsatzurteil (Case of Hirsi Jamaa and Others v. Italy) entschieden.

Nicht nur, dass die sogenannte Küstenwache sich aus Milizen rekrutiert und selbst Kontakte zu Schleppernetzwerken pflegt; dass sie tausende Menschen nach Libyen zurückschleppt, welche dort unter absolut menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert, misshandelt und teilweise sogar versklavt werden: Berichte von zivilen Seenotrettungsorganisationen zeigen auch, dass die »Küstenwache« Rettungsoperationen der NGOs verhindert, sie mit Waffengewalt in internationalen Gewässern bedroht und sogar durch riskante Manöver für Todesfälle bei Rettungsaktionen verantwortlich ist.