Ein Herz für Flüchtlinge

Ein Herz für Flüchtlinge

Arbeitsgruppe „Camp“ für Menschen in Zeltlagern gegründet

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740 Flüchtlinge leben derzeit im Zeltlager auf dem Spilburg-Gelände in Wetzlar. Ihre Wäsche waschen sie per Hand und hängen sie über den Bauzaun.

 Wetzlar (bkl). Der Arbeitskreis Flüchtlingshilfe (AKF) in Mittelhessen hat für die Arbeit mit Zuflucht suchenden Menschen eine Arbeitsgruppe „Camp“ gegründet. „Es geht darum, die kurzen Zeiten, in denen die Flüchtlinge im Zeltlager sind, zu überbrücken und Hilfestellung zu leisten“, so Harald Würges. Der evangelische Diakon vom Arbeitskreis Flüchtlingshilfe informierte vor  etwa 70  Interessierten, unter ihnen auch die Wetzlarer Pfarrer Jörg Süß, Björn Heymer und Jörn Contag von der Königsberger Diakonie im Wetzlarer Tafel-Laden über die aktuelle Situation im Zeltlager auf dem Spilburg-Gelände.

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Einen anschaulichen Bericht gab der syrische Fotograf Mohamad Osman (r.).

Syrische Flüchtlinge, seit fünf bis zehn Tagen im Camp, erzählten in bewegenden Berichten von ihren Erfahrungen dort. So gibt es vier Zelte mit je 150 Betten ohne Privatsphäre. An Schlaf sei nicht zu denken. Frauen wollen sich nicht umziehen, da Männer vom Sicherheitsdienst  auch abends durchs Zelt laufen. Kleidung zum Wechseln ist keine vorhanden. Zum Teil wissen die Menschen nicht einmal, in welcher Stadt sie sich befinden.

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Berührend: die Erfahrungsberichte junger syrischer Flüchtlinge aus dem Zeltlager.

Rund 740 Flüchtlinge aus Eritrea, Syrien und Afghanistan sind derzeit auf dem Gelände des Katastrophenschutzzentrallagers in Wetzlar untergebracht. Denn laut Aussage des Regierungspräsidiums Gießen sind die Aufnahmekapazitäten der dortigen Erstaufnahmeeinrichtung mit derzeit rund 6000 Menschen erschöpft. Die Flüchtlinge wohnen auf dem Wetzlarer Spilburg-Gelände in Zelten, unter teilweise sehr schwierigen Bedingungen, leiden vor allem unter der derzeitigen Hitzeperiode. Deshalb will der Arbeitskreis Flüchtlingshilfe hier Unterstützung bieten. Mitarbeitende waren bereits vor Ort um Süßigkeiten und Stadtpläne zu verteilen, zu dolmetschen und seelsorglichen Beistand anzubieten. Die vorwiegend Ehrenamtlichen dürfen jedoch nur außerhalb des Zeltlagers mit den Flüchtlingen in Kontakt treten. Für den evangelischen Diakon Harald Würges vom Arbeitskreis Flüchtlingshilfe vollkommen unverständlich. Vom „Stören der Mitarbeiter durch Ehrenamtliche“ bei geringer Mitarbeiter-Kapazität sei vonseiten des Regierungspräsidiums die Rede gewesen, empört er sich. Hygienevorschriften werden unter anderem für die Ablehnung geltend gemacht. Eine große Welle der Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung zeichnete sich bereits am vergangenen Wochenende ab. Zahlreiche Bürger fragten beim Arbeitskreis Flüchtlingshilfe an, wie sie helfen könnten. „Das Konzept des Gießener Regierungspräsidiums geht nicht auf“, so Würges. Die ursprünglich angedachte Verweilzeit von zwei bis vier Tagen werde nicht eingehalten. „Sozialarbeiter sind nicht da. Um Menschen, die apathisch in den Ecken sitzen, kümmert sich niemand.“ 700 Aprikosen hätte er nicht verteilen dürfen. „Wir haben keine Lösung dafür. Wenn wir die Lebensmittel vor dem Lager verteilen, gibt es Prügeleien“, stellte er die Problematik dar. „Auf diese Weise benachteiligen wir die Schwachen. So können wir nicht weitermachen.“

Wie engagiert die Menschen waren, die sich in der ersten „Camp-Runde“ zusammengefunden hatten, zeigte sich an dem bunten Strauß von Ideen, der sich rasch aus den Beiträgen der Teilnehmenden entwickelte.

„Wir bieten das ‚Café Treffpunkt’ im Robert Koch-Weg unterhalb der Spilburg als Räumlichkeit an“, so Pfarrer Jörn Contag von der Königsberger Diakonie. Eine Vertreterin der Raiffeisen-Schule will einen Aktionstag für Flüchtlingskinder gestalten, ein weiterer Teilnehmer regte die Einrichtung eines Kummerkastens an. Eine Anwesende schlug vor, die Wiese neben dem Kletterzentrum „Cube“ als Treffpunkt für Sportangebote zur Verfügung zu stellen. Ein Vertreter der Muslime bot Seelsorge an und will Flüchtlinge zum Fastenbrechen einladen. Pfarrer Heymer will den Kleiderladen des evangelischen Dom-Gemeindehauses zur Verfügung stellen. Hinzu kam die Idee, Möglichkeiten zur Begegnung für einzelne Nationalitäten zu schaffen mit Betreuung durch hier schon länger lebende Flüchtlinge.

„Sie haben Ihr Herz an die Flüchtlinge verloren“, freute sich Würges angesichts der großen Einsatzbereitschaft. Er regte zudem an, die Flüchtlinge zum Essen, zum Duschen, ins Freibad und zu Gesprächen einzuladen. „Wir brauchen möglichst viele Räume für Cafés, in die die Menschen eingeladen werden. Kirchengemeinden oder Vereine können sie zur Verfügung stellen.“

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Tempo-30 -Zone wurde eingerichtet. (Foto: Schaefer)

Inzwischen hat das Gießener Regierungspräsidium Entgegenkommen signalisiert. „Wir sehen, dass sich etwas bewegt“, so Würges und ergänzt:  „Es ist wichtig, dass wir mit der Stadt, dem Kreis und dem Regierungspräsidium Gießen im guten Kontakt sind.“ Auf Bitten des Arbeitskreis Flüchtlnge wurde die Straße am Camp als Tempo-30-Zone einegrichtet.

Der Wetzlarer Bürgermeister Manfred Wagner wurde in diesem Zusammenhang bereits um einen runden Tisch gebeten.

„Ihre Angebote müssen nachhaltig sein“, erläuterte Bettina Twrsnick von der Flüchtlingshilfe Mittelhessen den Anwesenden ihre besondere Verantwortung. Der Arbeitskreis Flüchtlingshilfe könne die Ideen aufgreifen, sie müssten jedoch extern organisiert werden. Um über das weitere Vorgehen zu beraten, wurde ein Anschluss-Termin für die neue „Arbeitsgruppe Camp“ festgelegt: Montag, 27. Juli, 19.30 Uhr im Wetzlarer Tafel-Laden, Bahnhofstraße 7.

 

Aufnahme von Flüchtlingen in Hessen – wie geht es?

 

Flüchtlinge, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, werden nach einem festgelegten Verteilungsschlüssel einem Bundesland zugeteilt. In der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung (HEAE) in Gießen, deren Aufsichtsbehörde das dortige Regierungspräsidium ist, erhalten sie Unterkunft und Verpflegung. Dies ist laut Regierungspräsidium jedoch nur eine Übergangslösung. Untergebracht sind die Flüchtlinge in der HEAE rund vier bis sechs Wochen bevor das Regierungspräsidium Darmstadt sie auf die Landkreise und kreisfreien Städte in Hessen verteilt. Dort erhalten die Menschen eine dauerhafte Wohnmöglichkeit und warten den Ausgang des Asylverfahrens ab.

In der Region Süd an Lahn und Dill gibt es derzeit 45 Gemeinschafts-Unterkünfte in 22 Orten, um dies sich etwa 300 Ehrenamtliche kümmern. Koordiniert wird das Engagement auf kirchlicher Seite vom  2013 gegründeten Arbeitskreis Flüchtlingshilfe, der mit dem Lahn-Dill-Kreis und der Stadt Wetzlar kooperiert.

 

Ansprechpartner für alle Fragen, die die Flüchtlingshilfe betreffen, ist Diakon Harald Würges unter Tel. 01578/3287900 oder per E-Mail unter h-wuerges@t-online.de.

 

Öffentlichkeitsreferat
Evangelische Kirchenkreise Braunfels und Wetzlar
Uta Barnikol-Lübeck

 

Fotos: Barnikol-Lübeck

 

 

 

 

 

 

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