bei Vernunft bleiben

Leserbrief zum Thema Impfgegner demonstrieren auch in Wetzlar…

Dankbar, dass der Großteil der Mitmenschen bei Vernunft bleibt….

Grundsätzlich sind mir kritische, auch aufmüpfige BürgerInnen recht. War ich doch in den vergangenen 50 Jahren mit vielen Entwicklungen in unserem Staat, was soziale Ungerechtigkeit, Naturzerstörung oder Rassismus und Antisemitismus angeht, unzufrieden und gerne aktiv und aufmüpfig.

Dafür aber, dass ausgerechnet in der zeitlebens nicht dagewesenen weltweiten Infektionsbedrohung etliche Mitmenschen ihren privaten Aufstand gegen Staat und Wissenschaft zelebrieren, fehlt mir jedes Verständnis.

Es will mir scheinen, als würde zur materiellen Wohlstandsverwahrlosung, die unseren Planeten ruiniert, eine immaterielle hinzukommen. In unserer zunehmend individualvergötternden Zeit haben offenbar durch die zwangsläufigen Einschränkungen der Pandemiebekämpfung manche Menschen in ihren Wolkenkuckucksheimen ernsthafte Risse davon getragen. Und so rudern sie jetzt in Bootsführerschaft von Rechtsradikalen, Verschwörungsphantasten und politischer AfD-Vertretung auf hoher See gegen die Klippen der Realität. Was das Wetzlarer Hessencam-Videoprojekt da im Laufe der Zeit in dankenswerter und mutiger Weise dokumentiert hat, ist weitgehend erschütternd. Ein mir unerträgliches und unsachliches Geschwurbel.

Vom gesammelten Hass auf Wissenschaft, freien Journalismus und den demokratischen Staat, der sich mit oft auch hilflosen Maßnahmen dieser das Menschheitsschicksal betreffende Virusbedrohung zu erwehren sucht, bis zu den SA-artigen Zusammenrottungen und Mordaufrufen vor den Häusern von Politikerinnen, ist es nicht weit. Jede und Jeder trägt die Verantwortung dafür, mit wem man sich da gemein macht. Im Grunde sind ja in unerhörter Weise die gleichen Protagonisten am Werk, die in der sog. Flüchtlingskrise das Volk aufgehetzt haben.

Immerhin bin ich dankbar, dass der Großteil der Mitmenschen bei Vernunft bleibt, politisch wie moralisch stabil ist und der Gemeinschaft eben nicht die Solidarität verweigert.

Joachim Bernecke