Ein Parkhaus für die Bequemlichkeit

Antwort auf den WNZ-Artikel vom 15.07.2020 „Ohne Autos wird Wetzlar abgehängt“

Viertelhausen: Verkehrsströme haben sich weiterentwickelt.

Herr Viertelhausen bestätigt endlich öffentlich das Ergebnis des Lademacher-Gutachtens: In der Altstadt werden keine zusätzlichen Parkplätze benötigt. Da das Ergebnis nicht zu den Parkhausplänen passt, behauptet Viertelhausen ganz einfach: „Die Verkehrsströme haben sich weiterentwickelt.“ Ja, zum Beispiel werden gerade 30% mehr E-bikes gekauft.

Und es boomt nur deshalb nicht noch mehr, weil die Fahrräder coronabedingt erschwert produziert werden können und daher ausverkauft sind.

Auch viele ältere Menschen steigen gerade auf das Fahrrad um. Wetzlar reagiert darauf  mit einem Parkhaus. (1 Kilometer Fahrradweg kostet rd. 100.000 €. Für die 7 Millionen für das Parkhaus könnte man  auch 70 Kilometer Fahrradwege anlegen. Z.B. nach Blasbach.)

Nach Viertelhausen und Freidank stehe im Zusammenhang mit dem geplanten Parkhaus die Zukunft der Altstadt auf dem Spiel.

Selbstverständlich meinen sie damit die wirtschaftliche Zukunft der Altstadt.

52 Gewerbetreibende in der oberen Altstadt sehen das nicht so dramatisch.

Nur ca. 1/5 verspricht sich von dem Parkhaus mehr Kunden. (Umfrage von 2019)

Es gibt aber auch eine Zukunft von Familien mit Kindern, die wegen des Parkhauses eine attraktive KiTa-Außenfläche  verlieren sollen. Es geht um die Zukunft der Kinder, die bisher auf einer großen Wiese spielen konnten, die für ihre Entwicklung so wichtig ist.

Es geht auch um die Zukunft der Kinder im kath. Kindergarten, der in 30 Meter Entfernung eine Ein- und Ausfahrt zu einem Parkhaus bekommen soll, statt dass man die Goethe-straße einfach für den öffentlichen Verkehr schließt. Zubringer für Gewerbe und Anwohner-verkehr sind genug.

0,3 % Elektroautos fahren gerade auf deutschen Straßen.

Auf Autos könne in Wetzlar für mindestens 10 bis 20 weitere Jahre nicht komplett verzichtet werden.

In Bezug auf das Parkhaus ging es nie um den kompletten Verzicht auf Autos, sondern schlicht und einfach um den „komplett“ fehlenden Bedarf für ein neues Parkhaus an dieser Stelle. Wir brauchen nachweislich keinen Ersatz für die wegfallenden Parkplätze am Dom.

Sehen Sie das 6 Minuten youtube-Video des Ersten Deutschen Fernsehens: Spanien: Pontevedra – ein Paradies für Fußgänger | Weltspiegel

Stadtplaner aus aller Welt pilgern nach Pontevedra (80.000 Einwohner), das als Modell für die Zukunft gilt.

Der Kommunalpolitiker bekommt Besuch aus ganz Europa. Bürgermeister Miguel Fernandez Lores hat vor 20 Jahren den Wandel eingeleitet. (70% Rückgang der Emissionen). In den autofreien Straßen werden Wegweiser in Gehminuten angezeigt.

500 bis 800 Meter sind in Pontevera kein Thema.

Es gab zuerst heftige Proteste. Am Ende hat der Handel profitiert (!!!)  Autofreie öffentliche Straßen locken Menschen zum Flanieren ein. Wetzlar baut ein Parkhaus auf die güne Wiese in der Altstadt.

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Fuß- und Radverkehr sind die umwelt- und stadtverträglichsten Fortbewegungsformen, auch Aktive Mobilität genannt. Eine weitere Verlagerung von Wegen, vor allem des motorisierten Individualverkehrs, auf umweltfreundlichere Fortbewegungsformen ist daher erstrebenswert. Die Bundesregierung unterstützt den Radverkehr u.a. durch den „Nationalen Radverkehrsplan 2020“. Einige Kommunen haben zudem bereits Fußverkehrsstrategien entwickelt.

Quelle: https://www.umweltbundesamt.de

Es gebe pro Jahr 200 Veranstaltungen mit mehr als 50 Teilnehmern in der oberen Altstadt.

Jeder wisse, was das für die Parkplatzsituation in der oberen Altstadt bedeutet.

Parksuchverkehr in der oberen Altstadt

Diejenigen, die bisher in den Straßen geparkt haben, werden das auch weiter tun. Zu viele Autofahrer*innen vermeiden grundsätzlich Parkhäuser. Der Parksuchverkehr endet erst, wenn es keine öffentlichen Parkplätze mehr gibt und Falschparker konsequent abgeschleppt werden. Das kann man aber auch schon jetzt ohne neues Parkhaus so einrichten.

Wo haben die Menschen geparkt, die bisher zu den Veranstaltungen kamen? Hatten sie wirklich Probleme, einen Parkplatz zu finden? Von meinen Schüler*innen in Dillenburg weiß ich, dass sie ganz selbstverständlich am Forum parken und dann in die Altstadt schlendern.

Besucher des Wochenmarktes sollen ein Parkhaus für 7 Millionen bekommen? Vom Parkhaus in der Stadthalle sind es ebenerdig (!) 170 Meter, die ältere Menschen zum Domplatz weiter gehen müssen als vom geplanten Parkhaus. Auch müssen ältere Besucher im Parkhaus nicht einmal die Ebene wechseln, wenn Sie in der Turmstraße ins Parkhaus fahren.


 

Alle größeren Veranstaltungen im Rosengärtchen fallen als Argument für ein neues Parkhaus weg, denn die Stadthalle wird immer freigehalten, da es ja regnen könnte und die Veranstaltung dann in die Stadthalle verlegt wird. Die Besucher der größeren Veranstaltungen im Rosengärtchen können also im Parkhaus Stadthalle parken. Am Mühlgraben und Hausertor sind aber auch genügend Parkplätze. Noch einmal: Mit den bestehenden Parkplätzen können wir eine Veranstaltung mit 7000 Gästen in der Altstadt machen. Im Rosengärtchen sind 950 Plätze.

Wo parken die Gäste bisher, wenn eine Großveranstaltung in der oberen Altstadt stattfindet? Viele parken bequem am Forum und schlendern dann gemütlich in die Altstadt.

Demnächst gibt es auch noch weitere 144 öffentliche Plätze an der VHS. Nur ein Katzensprung in die Altstadt.

Neben den 1700 Parkplätzen am Forum stehen der Altstadt über 2000 Parkplätze zur Verfügung. Die obere Altstadt kann ohne Not für Parkplatzsucher geschlossen werden. Ausnahme: Gehbehinderte mit Ausweis.

Überlegungen zur Verkehrsführung Goethestraße Kornmarkt.

Selbstverständlich müssen Anwohner und Zubringer zu allen Wohnungen, Geschäften und Betrieben in der Altstadt fahren können. Nur das Parken muss verboten werden.

Befragung zu Parkplatzmangel (Kompass-Sicherheitssiegel)

Nach Viertelhausen haben 608 von 4000 Befragten einen Parkplatzmangel in (gesamt) Wetzlar beklagt. Dass sind 15,2 %. Dieser geringe Prozentsatz bestätigt, dass wir keinen Parkplatzmangel in Wetzlar haben. Am wenigsten in der oberen Altstadt. (Siehe Lademacher-Gutachten: Auslastung max. 70%. Respektive Viertelhausens „Verkehrsstromentwicklung“ in den letzten 5 Jahren (um 30%?).

Freidank: „Autos raus aus der Stadt […] solche Konzepte könnten allein in Metropolen funktionieren. Wer glaubt […] trotzdem so viel Handel und Gastronomie zu haben wie heute, ist ein Träumer.“

Es geht nicht um pauschal „Autos raus aus der Stadt“, sondern um die Frage, ob wir in der oberen Altstadt Ersatz für 130 wegfallende öffentliche Parkplätze benötigen.

Gegenfrage: Warum sollte das nur in Metropolen funktionieren? Ist Avignon eine Metropole? Freidank diffamiert damit Bürgermeister Miguel Fernandez Lores im spanischen Pontevedra als Träumer, der das Parken in der Innenstadt verboten hat. Er hat vor 20 Jahren genau diesen Traum gehabt. Er gilt aber heute als vorbildlich und er hat Handel und Einzelhandel gestärkt. Was man sich nicht vorstellen kann, ist noch lange nicht falsch. Stadtplaner aus aller Welt pilgern ins spanische Pontevedra (80.000 Einwohner), das als Modell für die Zukunft gilt.


Bleiben die Gehbehinderten.

Für Gehbehinderte können wir in der für den öffentlichen Verkehr geschlossenen Goethestraße genügend Parkplätze einrichten. Rollstuhlfahrer kommen schon jetzt barrierefrei von oben (Goethestraße) ins Rosengärtchen und ins Freilichttheater.

Beobachten Sie bitte einmal die Autofahrer, die besonders samstags auf dem Domplatz ihre tollen Schlitten parken, um ihr Ego aufzutanken. Sie werden unter den Parkenden keinen einzigen gehbehinderten Menschen finden.

Welcher gehbehinderte Besucher parkt im neuen Parkhaus, um dann 245 bis 300 Meter zur Haupt-Apotheke und bergauf wieder zurückzugehen?

Selbstverständlich brauchen wir Behindertenparkplätze am Fischmarkt, Domplatz und Kornmarkt. (Selbstverständlich muss überprüft werden, ob die dort Parkenden einen Behinderten-Ausweis haben.)

Freidank: „Es ist kaum zu erwarten, dass ein Blasbacher mit dem Rad in die Stadt fährt.“

Wenn der Blasbacher ein E-Bike hat, wird er auch mit dem Fahrrad kommen. Er benötigt dafür laut Google Maps zum Domplatz eine halbe Stunde. Mit dem Auto benötigt er (ohne Stau!) 15 Minuten. Dann muss er aber noch 160 Meter vom Parkhaus zum Domplatz hin und zurückgehen.

Er kann aber auch mit dem Auto kommen, denn es stehen im Umfeld der Altstadt weit über 2000 Parkplätze zur Verfügung. Wenn man ihm ein Leih-E-Bike zur Verfügung stellen würde, wäre er noch schneller am Domplatz.

Das Kino sei kein Auslöser für die Parkhauspläne

Die Auslöser-Frage ist nicht relevant.

Auch für das Kino gibt es an der Lahninsel genügend Parkplätze, die die Stellplatzordnung von 300 Metern Entfernung erfüllen.

FAZIT

Egal wie man es dreht oder wendet. Am Ende bleibt als einziges Argument für das geplante Parkhaus die Bequemlichkeit von einigen Autofahrer*innen.

Menschen, die keine Lust haben durch unsere schöne Altstadt zum Domplatz zu schlendern, weil sie die Steigung nicht bewältigen, werden wir auch durch ein Parkhaus, das nur wenige Gehminuten und Steigungen einspart, nicht gewinnen, denn am Ende müssen sie auch wieder bergauf zurückgehen.

Die läppische Befriedigung der Bequemlichkeit mit Millionen Steuergeldern steht in keinem Verhältnis zu dem Verlust, den dieses Parkhaus in Bezug auf eine lebenswerte Altstadt mit sich bringt:

Es versiegelt eine große Grünfläche in der Altstadt.

Es nimmt Kindern eine wichtige grüne Spiel-Außenfläche.

Die vielen Bäume um das geplante Parkhaus werden zerstört.

Es verengt die luftige Atmosphäre im Rosengärtchen durch eine Betonwand.

Es nimmt den Blick auf den Dom vom Rosengärtchen aus.

Es bringt einen Schadstoffschwerpunkt in die Nähe des kath. Kindergartens.

Es verursacht Unmengen von Bauschutt beim Abriss des riesigen Kita-Gebäudes.

Es verursacht Unmengen von CO2 durch Neubauten aus Beton.

Damit leistet es einen vollkommen unnötigen Beitrag zur momentanen Klimazerstörung. „How dare you!“

Alles in allem: überflüssig, unzeitgemäß und rückschrittlich.

Mit freundlichem Gruß

Harald Minde

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