Offene Gegenrede / Teil 1

Offene Gegenrede I

zu Christoph Schäfers Rede am 14. November 2018 im Stadtparlament,

Christoph Schäfer Fraktionsvorsitzender der CDU Wetzlar

die er unmittelbar vor der Entscheidung zu Parkhaus, Abriss und Verlegung der KiTa-Marienheim und Abholzung und Bebauung des Liebfrauenbergs gehalten hat.

Der Offene Brief der Bürgerinitiative Marienheim an den Magistrat und die Stadtverordneten vom 21. Oktober 2018 hat im Ergebnis nichts bewirkt. Wir fragen uns, ob die Verantwortlichen sich inhaltlich mit den Argumenten auseinandergesetzt haben. Was man zumindest hätte erwarten können, ist eine Antwort des Magistrats, die versprochen war. Oberbürgermeister Wagner hat in der Infoveranstaltung zwei Wochen vor der Abstimmung lediglich geklärt, dass die durch den Bau der Domhöfe entfallenden 133 Parkplätze nicht von der Stadthalle „aufgefangen“ werden können.
Ansonsten gab es nur die Rede des Herrn Schäfer, der als Einziger die Argumente der Bürgerinitiative im Einzelnen aufgegriffen hat. Da dieser Rede von der Mehrheit der Entscheidungsträger nicht widersprochen wurde und ja auch ganz in seinem Sinne entschieden wurde, müssen wir reagieren.

Herr Schäfer behauptet, die Bürgerinitiative hätte kein Interesse an einem Meinungsaustausch und würde Falschmeldungen und Boshaftigkeiten verbreiten.

Der Offene Brief ging vor der Veröffentlichung mit der Bitte um eine Reaktion an alle Stadtverordneten und den Magistrat. Herr Schäfer hat spontan nur mit einer Unterlassungsklage gedroht, weil seine E-mail Adresse aus dem Internet in den Verteiler übernommen wurde. Er schreibt, dass von seiner Seite kein „berechtigtes Interesse für die Übermittlung der Daten vorliegt“. Auf Inhalte geht er nicht ein.
Warum reagiert Herr Schäfer erst zwei Monate später auf die Inhalte der „übermittelten Daten“?
Vermeintliche Falschmeldungen und Boshaftigkeiten hätte er verhindern können. Fehler in dem Offenen Brief hätten wir selbstverständlich beseitigt. Das ist auch bereits geschehen.

Herr Schäfer zum Liebfrauenberg:

Er spricht zunächst über ökologische Gesichtspunkte. Er spricht von Wege- und Sichtbeziehungen zwischen Eisenmarkt und Kornmarkt, die erhalten bleiben müssen. Er spricht von Frischluftaustausch zwischen Korn- und Eisenmarkt. Er spricht von Überwärmung im Sommer und Wärme-Inseln, die auch in der Nacht nicht abkühlen. Er spricht von Experten, die für dicht bebaute Innenstädte empfehlen, Lücken in der Bebauung beizubehaltenEr spricht außerdem von dem ökologischen Wert der vier Bäume! Und das meint er alles positiv.

Bis hierhin plädiert Herr Schäfer für die Beibehaltung des Status Quo. Der Liebfrauenberg ist nämlich tatsächlich eine Lücke in der Bebauung und hat durch das Grün und die vier Linden einen hohen ökologischen und klimatischen Wert. Die Bäume sorgen ab Frühjahr für Sauerstoff und Kühlung.

Man hatte als Zuhörer den Eindruck, als würde sich Herr Schäfer für den Ausbau der Grünfläche und des Spielplatzes einsetzen, damit der vernachlässigte Patz endlich wieder die Attraktivität bekommt, die er verdient. Damit die Versiegelung in eine Wiese umgewandelt wird und attraktive Spielgeräte Familien mit Kindern zum Verweilen und Entspannen einladen.

Herr Schäfer spricht dem Platz mit den Linden im Folgenden eine „optische Bereicherung“ zu, die  „in der Vergangenheit“ so wahrgenommen wurde.

Was meint er damit? – Meint er vielleicht die vielen Jahrhunderte, in denen unter Linden mitten in der Stadt getanzt wurde?

Goethe schrieb in seinem Osterspaziergang:  »Schon um die Linde war es voll, und alles tanzte schon wie toll«.  Die Musiker saßen gelegentlich auf einem Gerüst inmitten der Linde, der Blütenduft berauschte die Paare. Dieser blühende und Schatten spendende Lindenbaum war neben der Kirche zugleich der Mittelpunkt des Dorfes, ein kultureller Magnet im Dorfleben. Sie vermittelte Heimat und Geborgenheit. In zahlreichen Liedern, Gedichten, Romanen wird bekundet, wie die Linde für Liebe, Treue und Zuneigung steht. ( Vgl. Gerhard Robert Richter, Zur Kulturgeschichte der Linde)

Eine Bürgerin von Wetzlar berichtete uns, dass ihre Mutter 1996 – 2003 im Stadthaus mit Balkon zum Liebfrauenberg wohnte. Den Duft der blühenden Linden habe sie noch heute in Erinnerung. Den neuen Bewohnern der Domhöfe sollte ihrer Ansicht nach dieses Erlebnis auch vergönnt sein.

Goethe lässt seinen Werther seine Liebesneigung zu Lotte mitteilen: „… und sah noch dort unten im Schatten der hohen Lindenbäume ihr weißes Kleid“.

Aber in der Werther-Stadt Wetzlar zählt das nicht mehr.

Herr Schäfer äußert den Satz:

„Eine Aufenthaltsqualität unter Linden ist unzweifelhaft nicht gegeben.“

Bürgermeister Semler verlas – passend dazu – in der letzten Bauausschussitzung ein anonymes Schreiben, in dem die Linde als eine Art klebriges Monster dargestellt wird. Immer wieder werden Autofahrer angesprochen, die alle schon einmal eine verklebte Windschutzscheibe hatten. Das ist das Schlimmste: Linden verkleben Autos. Deshalb: Weg mit den Bäumen!

Obwohl es hier gar nicht um Autos geht. Dass man nämlich als lebendiger Mensch nur winzige Tröpfchen abbekommt, die im übrigen völlig harmlos sind, das interessiert nicht.

Gestatten sie uns diesen kleinen Scherz:

Wir schlagen vor, dass der Text in Goethes Werther für eine Wetzlarer Ausgabe des Stadtparlaments verändert wird  … und sah noch dort unten im Schatten der hohen Lindenbäume in Wetzlar ihr bekleckertes, verklebtes Kleid“.

In Rothenburg ob der Tauber, inmitten einer mittelalterlichen Altstadt, direkt an der Stadtkirche am Kirchplatz gibt es diesen bewirteten Platz mit Linde. Umgeben von einer alten Mauer. Geht doch.

Die Stadt Wetzlar hingegen hat den Spielplatz Liebfrauenberg seit Jahren herunterkommen lassen, einen Sandkasten entfernt, zwei läppische Spielgeräte stehen einsam auf weiter Flur. Laub wird auf der Fläche über lange Zeit nicht entfernt.

Und jetzt stellt Herr Schäfer fest, dass der Platz nicht zum Verweilen und Spielen einlädt.

Für uns bleibt nur ein Fazit: Erst verkommen lassen, dann verbal zerstören und schließlich abreißen.

Ein Argument hatte Herr Schäfer gegen den zwischenzeitlichen Plan: Er will den Anwohnern keinen gastronomischen Betrieb auf dem Platz zumuten. Wir sind auch dafür, dass auf dem Platz kein  Verzehrzwang installiert wird. Es erscheint jedoch merkwürdig, dass Herr Schäfer dann Minuten später für den ersten Plan für die Bebauung des Liebfrauenbergs stimmt, auf dem etwa 10 Meter weiter unten eine große bewirtete Dachterrasse geplant ist, deren Fläche direkt gegenüber den oberen Fenstern der Anwohner der Schuhgasse und der Domhöfe liegen soll. Das ist für ihn dann wieder keine Zumutung für die gerade mal 6 Meter entfernten Anwohner.

Herr Schäfer äußert des Weiteren, dass kein Bedarf für einen Spielplatz am Liebfrauenberg festgestellt wurde. Wer das festgestellt hat, sagt er nicht. Die Anwohner und Besucher der Altstadt haben sich uns gegenüber in Gesprächen sehr deutlich für einen öffentlichen grünen Platz zum Spielen, aber auch zum Ausruhen ohne Verzehrzwang ausgesprochen.

Nachdem Herr Schäfer den Platz als völlig überflüssig und nutzlos dargestellt hat und ihn zur Abholzung empfohlen hat, verweist er erneut auf dessen ökologische Funktion und seinen Wert. Und dieser Wert, so Herr Schäfer, dürfe nicht verloren gehen.

So sieht es heute aus. So wie dem nächsten Bild könnte es bald aussehen…

Und darum macht er auch einen Vorschlag: Nicht in der letzten grünen Oase in der Altstadt soll ein Ort des Verweilens entstehen, sondern irgendwo – weiter weg. Weg von den Bewohnern und Familien, die in die Domhöfe einziehen. Weg von den Kindern, die am Liebfrauenberg aufwachsen. Weg von den Gästen, die sich mit ihren Kindern in der Altstadt aufhalten und die wegen eines attraktiven Spielplatzes ihre Kinder mitnehmen.Eltern gehen bekanntlich dorthin, wo ihre Kinder gerne hingehen. (Hier könnte sich die Stadt ein Beispiel an der Strategie von McDonalds nehmen.)

Liebfrauenberg: Spielplatz für Kinder

Frequenzbringer der Superlative: von Wasserspielen bis zu einer Superrutsche mit Tarzanseil… Ein Magnet für Familien.

Fazit: Erst holzt man vier ausgewachsene Linden mitten in der Altstadt ab, um dann anschließend den Wert irgendwo anders zu erhalten.

Bitte schauen Sie sich den Film über das „Linden-Kinderfest“ vom Sommer 2018 an: hessencam: „eine Perle Wetzlars – Sommerinterview“ 

Büro Reif + Eberhard GbR – Freischaffende Garten- und Landschaftsarchitekten

Machen Sie sich anhand des Films ein Bild vom Liebfrauenberg und den vielen Menschen, Jugendlichen und Kindern, die ihn selbstverständlich erhalten wollen

Die von Herrn Schäfer dargelegte Argumentationskette ist für uns nicht schlüssig. Wir können keine Verbesserung für Altstadtbewohner und Besucher erkennen. Für wen ist der nun beschlossene Vorschlag vorteilhaft? Die Hinweise im Offenen Brief wurden sehr widersprüchlich behandelt, wurden nicht widerlegt, finden aber dennoch keinen Niederschlag in den Beschlüssen.

Wir stellen mit aller Entschiedenheit fest:

Die jetzige grüne Oase in der Altstadt ist nicht zu ersetzen und muss erhalten bleiben.

 

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