Grüne Zensur?

Grüner Umweltdezernent Norbert Kortlüke im Interview mit hessencam

Umweltdezernent und Stadtmarketing grenzen aus

Am heutigen Sonntag findet ein „Fest für alternative Mobilität“ statt. Das Fest ist integriert in das jährlich stattfindende Brückenfest der Stadt Wetzlar. Veranstaltet wird es von drei Einzelpersonen, die verschiedene Organisationen zur Teilnahme eingeladen haben.

Das „Verkehrsbündnis Wetzlar“ und die BI „Lebenswerte Altstadt“ hatten eine Teilnahme vorgesehen, wurden aber jetzt vom Stadtmarketing in Person von Geschäftsführer Rainer Dietrich ausgeladen. In der Begründung heißt es, das Brückenfest soll „kein Forum für politische Auseinandersetzung sein“.

Die Anliegen des Festes sind urpolitisch

Das Mobilitäts-Fest mit dem Titel „FahrRad“ hat selbst ein sehr politisches Anliegen:

„Gemessen an der vorhandenen Fläche wird der Autoverkehr oft überproportional bevorteilt. Fuß und Radverkehr taucht in der Verkehrsplanung nur als Nebensache auf. Die Aufgabe der Zukunft, den Verkehr nachhaltiger und vielseitiger zu gestalten, macht eine Umplanung der vorhandenen Flächen notwendig. … Ziel des Festes ist es, einerseits zu veranschaulichen, wie viel der vorhandenen Fläche auch anderen Zwecken dienen kann, welche jetzt allein von Autos vereinnahmt wird und wie viel Lebensqualität unsere Städte durch eine Umwidmung einiger Straßen gewinnen könnten. Ziel ist es andererseits zu demonstrieren, welche Fortbewegungsmittel und Möglichkeiten es abseits des Autos gibt, die eine echte Alternative und Bereicherung darstellen.“

Die Veranstalter:innen hatten breit eingeladen, um engagierte Vereine wie z.B. Attac, Greenpeace, Naturfreunde und Flüchtlingshilfe mit ins Boot zu nehmen. Umso mehr verwundert es, dass man kurz vor der Veranstaltung zwei Gruppen ausgeschlossen hat.

Engagierte Umweltschützer:innen müssen draußen bleiben

Von den Veranstalter:innen haben wir nun erfahren, dass die Ausgrenzung der beiden zivilgesellschaftlichen Gruppen direkt von Umweltdezernent Norbert Kortlüke (Bündnis´90/Die GRÜNEN) ausgeht. Intern hört man, Kortlüke wolle nur Gruppen akzeptieren, die ein positives Bild der Stadt zeichnen. Gruppen, die die Politik der Stadtregierung öffentlich kritisieren, sollen „draußen“ bleiben.

Auf Nachfrage bekunden die betroffenen Gruppierungen aber, dass sie die genannten Ziele und Anliegen der Veranstalter:innen voll und ganz teilen. Gerne hätten sie zum Gelingen des Festes beigetragen. An Protestaktionen wie z.B. eine Demonstration war nie gedacht. Die Ausladung des Umweltdezernenten verstehen sie als Zensur und bezweifeln, ob die Ungleichbehandlung rechtmäßig ist. Daher haben Sie an den entsprechenden Stellen im Rathaus Widerspruch gegen diese Entscheidung eingelegt.

Angst vor Imageverlust

Ähnliches passierte schon auf dem Ochsenfest, als die BI “Stoppt das Gewerbegebiet Münchholzhausen“ und die BI „Hochstraße B49“ des Platzes verwiesen wurden. Die Frage steht im Raum, welche „politische Auseinandersetzung“ der Umweltdezernent fürchtet. Bei beiden Veranstaltungen war kein lauter Protest oder etwa eine Demonstration vorgesehen. Der Schwerpunkt lag auf Information und Austausch mit Bürger:innen.

Ausgrenzung ist ein Politikum

An dieser Stelle darf nicht unerwähnt bleiben, dass es sich bei den Akteur:innen um Bürger:innen handelt, die sich auf vielen Ebenen für die Stadt engagieren. Sie sind bestürzt über das Vorgehen des Umweltdezernenten und fühlen sich in eine falsche Ecke gedrängt. Mit dem Ausschluss politischer Themen aus dem Stadtfest produziert der grüne Politiker selbst ein „Politikum“. Die Chance für ein vielfältiges Zeichen in Richtung Verkehrs- und Klimawende wurde vertan.  

Sie fühlen sich nicht nur falsch verstanden, sondern auch diskreditiert. Verärgert meinen sie: Werktags engagieren wir uns für unsere Stadt, für eine solidarische, demokratische und klimagerechte Zukunft, sonntags werden wir dann von Vertreter:innen der Stadt ausgeladen. Sie hoffen, dass sich die anderen Gruppen solidarisieren und das „Rathaus-Mobbing“ in seine Schranken verweisen.

Gemeinsam durch die Krisen

Zivilgesellschaftliches und politisches Engagement muss gefördert werden und nicht als „unerwünscht“ abgestempelt werden.

Gerade in den nächsten Monaten sollte die Grundbotschaft lauten: Nur gemeinsam können wir den Krisen entgegentreten. Ausgrenzung führt zur Spaltung und bereitet den Feinden der Demokratie den Weg.

Man kann der „FahrRad“- Aktion nur wünschen, dass es nicht nur ein Fest für alternative Mobilität, sondern auch ein Fest der inklusiven Bürgerbeteiligung wird.                                                                     

Joachim Schaefer (hessencam)

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