(kein) Leben im ZeltCamp

Sehr geehrte Damen und Herren,

auf die Schnelle ein paar offene Worte, Forderungen, Wünsche und Ideen – kein ausgearbeitetes Konzept, aber dringende Fragen und Anregungen, die meiner Meinung nach sehr schnell angegangen werden müssen.
IMG_4445Zwei Camps nebeneinander ist und war keine gute Idee. Man verliert als Mitarbeiter*in, Bewohner*in und Helfer*in den Überblick. Die Nachbar*innen (Firmen, Privatpersonen, Supermärkte, etc.) sind überlastet. Die Straße ist als Durchgangsstraße nicht mehr nutzbar. Es herrscht eine eigenartige aggressive Stimmung vor allem im Lager II. 500 Menschen in einer Halle: Frauen, Jugendliche, alte Menschen, Kleinkinder! Das geht vielleicht eine Woche „gut“.
IMG_4444Gestern haben sich im Camp I ca. 20 Menschen geprügelt. Heute Nacht haben sich ca. 40 Personen geschlagen. Alkoholisierte Personen wurden in das Camp gelassen, durch die dann ein Streit ausgelöst wurde. Gerade die Familien waren und sind sehr beängstigt. Im Camp I „leben“ manche Flüchtlinge schon fast drei Monate auf engstem Raum zusammen. Durch das schlechte Wetter sind die Ausweichmöglichkeiten sehr begrenzt.
Ich befürchte, dass die Konflikte und auch die Proteste ansteigen werden. Ich befürchte auch, dass das „Image“ der Flüchtlinge sich in der Bevölkerung sehr verschlechtern wird. Nur wenige können nachvollziehen, was es heißt in einem Flüchtlingscamp zu leben.

Forderungen

# eine dezentrale Unterbringung

# beide Camps müssen vor dem Winter geschlossen werden.

# ein zweites Camp darf nicht in direkter Nachbarschaft zu einem bestehenden Camp aufgebaut werden.

# keine alkoholisierten Menschen in´s Camp hineinlassen.

# Mediatoren müssen eingestellt werden, die präventiv Spannungen erkennen und Konflikte gewaltfrei lösen.

# demokratische Strukturen (Sprecher*innen, Bewohner*innen-Versammlung, Kummerkasten, etc..) müssen eingerichtet werden.

# ein Runder Tisch muss alle zwei Woche stattfinden (Bewohner*innen, Helfer*innen, Polizei, Mitarbeiter*innen, Helfer*innen,….) . Die Koordination aller Helfer*innen und Helfer*innengruppen muss von der Stadt geleitet werden. Beispiel Frankfurt

# Informationen über das Camp müssen transparent weitergegeben werden (Zugang, Transfer, Gesundheitszustand).

# für die Menschen muss eine „Beschäftigung“ angeboten werden, wenn sie länegr als eine Woche bleiben: Deutschkurse, „Kindergarten“, kulturelle Angebote (Musik, Internetcafé, WLAN, Teestube, Infopoints)

# Säuberungsaktionen im und um das Gelände müssen gemeinsam durchgeführt werden.

# Kleiderspenden müssen zentral vor Ort angeboten werden (Begegnungszelt/Halle). Kein wahlloses Verteilen vor dem Camp.

# Trennung zwischen Männer und Frauen in den Zelten und Hallen.

Wünsche

# Gemeinsamer Stadtgang – Gemeinsame Immobiliensuche für Winterunterkünfte

# Sprechstunden für Frauen
# Maßnahmen gegen Diebstahl im und außerhalb des Camps

# Junge Männer in überschaubaren Gruppen in Jugendhäuser und Jugendräume einzelner Einrichtungen unterbringen.

# Privatfamilien nehmen Familien in ihren Häusern auf

# Alte und kranke Menschen können in Altenheimen aufgenommen werden.

# Keine Missionierung vor dem Camp: Bibelverteilungen von Zeugen Jehovas und evangelikalen Gruppierungen sollte man verhindern.

# Die regelmäßigen Dolmetscherdienste der Wetzlarer Flüchtlinge sollten honoriert werden (Honorar)

# ein Helfer*innen- Fest

# ein Willkommens-und Begegnungsfest

# ein Willkommensgeschenk mit Stadtplan

# ein buntes Camp: Bilder, Transparente, positive Sinnsprüche in mehreren Sprachen

# Ich habe diesen Brief sehr schnell herunter geschrieben. Sicherlich gibt es noch wichtige Ergänzungen. Aber die Zeit drängt! Ich bitte alle Verantwortlichen, schnell zu handeln.

# vielfältige Begegnungsmöglichkeiten zwischen Stadt und Camp

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Schaefer
Pastoralreferent der kath. Domgemeinde Wetzlar

Wetzar, 22.09. 2015

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