Bunte Leitbilder vs. graue Betonpolitik

LEITBILDER SETZEN

Nachbarschaft fördern, lokal handeln, Zukunft gestalten, Geschichte sichtbar machen, aus der Vergangenheit lernen,  Verantwortung übernehmen, eine Brücke zwischen Natur und Kultur bauen, Anwohner*innen einbeziehen, vor Ort sein, Generationen verbinden, lokale Lösungen finden, Erinnerungskultur pflegen, von Natur berührt sein,  Kultur zum Anfassen, Wurzeln gemeinsam entdecken, Denkmale be-greifen, Forschung erleben, Naturräume und Denkmäler schützen, Einblicke geben, neu Perspektiven eröffnen, Sinn stiften, niedrigschwellige Angebote machen, Identität schaffen, ein Wir-Gefühl aufbauen

DENKMAL ERLEBEN

Am bundesweiten „Tag des Denkmals“ (in diesem Jahr am 11./12. September) wollte man interessierten Bürger*innen die Ausgrabungen auf der Marienwiese zwischen Dom und Rosengärtchen zeigen. Der Caritasverband hatte seine Hofterrasse zur Verfügung gestellt, von der man sehr gut die gesamten Ausgrabungen überblicken kann, ohne das Gelände zu betreten. Der Leiter der archäologischen Arbeiten hatte sich ebenfalls bereit erklärt, zwei „Führungen“ zu leiten, so dass eine kompetente Präsentation der historisch relevanten Ergebnisse gewährleistet war. Die Presse war informiert, um auf die Veranstaltung im Vorhinein hinwiesen zu können. Ein gelungenes Konzept ganz im Sinne des Leitbildes einer lebendigen und erlebbaren Altstadt

LEITBILDER MISSACHTEN

In Absprache mit der Stadt wurde diese Veranstaltung kurz vorher vom hessischen Landesamt für Denkmalspflege abgesagt. Die Entscheidung kam einerseits überraschend, weil keine inhaltlichen Gründe gegen die Veranstaltung sprachen. Andererseits war aus der Vergangenheit bekannt, dass die Stadt, genauer gesagt das Baudezernat, öffentliche Veranstaltungen zum Thema Marienwiese zu verhindern wusste. Ein Treffen mit Schüler*innen zum Thema „Ausgrabungen auf der Marienwiese“ wurde schon im Sommer nicht genehmigt.

MITLÄUFER*INNEN GEWINNEN

Das hessische Landesamt hält sich ganz an die Vorgaben der Stadt und wehrt sich seit mehr als einem Jahr gegen Anfragen interessierter Bürger*innen. Die Ziele einer bürgernahen und modernen Denkmalpflege werden den Interessen der Stadtpolitik untergeordnet. Auch die Stadtentwicklungsgesellschaft Wetzlar (SEG), eine städtische Einrichtung, spielt das Spiel mit. Da sie Bauträgerin des Parkhauses ist, musste sie ein Baumgutachten von den großen Bäumen zwischen Marienwiese und Rosengärtchen in Auftrag geben. Dies hält sie bis heute unser Verschluss. Der Umweltdezernent, selbst Aufsichtsratsmitglied der SEG, schweigt zu dem Gutachten.

TRANSPARENZ VORSPIELEN

Die Bäume (ca. 70 Jahre alt) wurden fast unbemerkt, entgegen der Ankündigung sie zu schützen, gefällt. Die Besichtigung der Ausgrabungen vor Ort wurden erfolgreich verhindert. Die Ergebnisse der Ausgrabungen werden nun mit einem Jahr Verspätung in Münchholzhausen vorgestellt – weit weg von den Ausgrabungen – weit weg von der Altstadt – weit weg von dem historischen Geschehen – weit weg von den Leitbildern einer lebendigen Stadtkultur; von Niedrigschwelligkeit keine Spur. Das Ganze wird für die Stadt zu einer Pflichtveranstaltung: Frontalinformation statt Bürgerdialog.

Das öffentliche Interesse wird mit einer Hinhaltetaktik unterwandert. Aussitzen heißt die Devise. Ein öffentlicher Diskurs wird umgangen. Das Thema wird mit allen Mitteln tabuisiert. Die Verantwortlichen hoffen, dass das Thema „Parkhaus auf der mittelalterlichen Marienwiese“ in Vergessenheit gerät. Die Kritiker*innen sollen in eine „Schmuddel Ecke“ verbannt werden. Am liebsten würde man die Marienwiese verschleiern bis „endlich“ die LKWs kommen und die Marienwiese mit Beton zuschütten.

SONNTAGSBILDER MALEN

Die „Augen zu und durch – Politik“ der vorigen und jetzigen Koalition ist kein gutes Omen für das bevorstehende Förderprogramm „Zukunft Innenstadt“. Politiker*innen, die Leitbilder nur für das städtische Schaufenster benutzen, verlieren das Vertrauen der lokalen Akteur*innen. Wer will die Entscheider*innen noch ernst nehmen, wenn sie sonntags bunte Leitbilder malen und in der Woche mit grauen Betonklötzen hantieren. Die (Alt-)Stadt ist mehr als ein Verschiebebahnhof, auf dem wenige die Weichen stellen. Sie ist unser Lebensmittelpunkt und verdient die Weisheit und die Achtsamkeit der Vielen. 

J.Schaefer

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